[#naraontour] Neuer Bericht über Situation in Idomeni

Bericht 20.03.16 Eidomeni (erste Crew)
++english version below++

#naraontour
Wir (erste #naraontour-Crew) sind nach wie vor in Eidomeni vor Ort. Es fällt schwer überhaupt von hier zu berichten. Im Prinzip verändert sich nichts. Die Lage wird lediglich immer aussichtsloser. Die Handlungsmöglichkeiten für die Flüchtenden werden immer eingeschränkter. Die Wahrscheinlichkeit, dass Grenzen wieder öffnen, werden immer geringer. Alternativrouten werden immer weiter abgeschottet. Die Polizei wird immer repressiver. Die Mangelernährung der Menschen wird immer schlimmer. Immer mehr Menschen sind krank. Die Stimmung im Camp und den umliegenden Gebieten eskaliert immer häufiger.

Kurz gesagt: Die Festung Europa ist am bisherigen Höhepunkt ihres rassistischen Vorgehens angekommen!

EU-Türkei-Abkommen

Die neue Verordnung zwischen der EU und der Türkei, hat hinterrücks ein komplett neues Asylgesetz aufgestellt, welches das Grundrecht auf Asyl verhöhnt, keine Möglichkeit der Einzelfallbetrachtung lässt und insgesamt vielmehr einem Menschenhandel gleicht. Diese besagt unter anderem, dass alle Menschen, die ab heute neu auf den griechischen Inseln ankommen, in die Türkei abgeschoben werden sollen. Für jeden Menschen, der „ordnungsgemäß“ von Griechenland zurück in die Türkei geschoben wird, soll dafür eine syrische Person, die sich in der Türkei registrieren ließ, in die EU gebracht werden.

Mehr Informationen unter: http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/warum_der_deal_mit_der_tuerkei_eine_schande_fuer_europa_ist/

Situation der Menschen in und um Eidomeni
 Alle Flüchtenden, die bereits in Griechenland sind, deren Durchreisepapiere („Kharti“ für zumeist 30 Tage) abgelaufen sind und  die sich aber weder für Asyl in Griechenland, noch das Relocation-Programm oder das Familyreunification-Programm beworben haben, sind in Gefahr in die Türkei abgeschoben zu werden.

Durch die täglichen Gespräche mit den Menschen hier in der Umgebung sind wir zu der Einschätzung gekommen, dass die „Kharti“ der allermeisten Menschen hier bereits abgelaufen sind oder in absehbarer Zeit ablaufen. Eine Verlängerung dieser ist nicht möglich. Viele der Menschen hier haben sich bisher für keines der oben genannten Programme beworben, da die Informationsvermittlung hierüber vollkommen unzureichend ist. Hinzu kommt, dass die Anmeldung zu einem der Programme nur über ein Skype-Telefonat, bei dem der/die Antragsteller*in einen Termin beim zuständigen Asylamt bekommt, erfolgen kann. Hierfür stehen aber bei weitem nicht genügend Kapazitäten in diesem Amt zur Verfügung, was dazu führt, dass es irrwitzig lange Wartezeiten oder kein Durchkommen in der Leitung gibt. Ohnehin gilt das Relocation-Programm nur für Menschen aus Syrien, dem Irak und einigen wenigen anderen Ländern, deren Anerkennungsquote in Asylverfahren über 75% liegt. Wir vermuten also, dass viele der Flüchtenden hier in der Region in den nächsten Tagen und Wochen akut von Abschiebung in die Türkei bedroht sein werden! Noch ist vollkommen unklar ob und wie dies durchgesetzt wird. Fest steht, dass die Zellen in den umliegenden Polizeistationen und Knästen bereits voll sind und vollkommen willkürlich oder aus Papier-„Gründen“ täglich neue Menschen verhaftet werden.

Praktischer Support
Wir unterstützen weiterhin täglich die Menschen, die sich an verschiedenen Orten außerhalb des offiziellen  Eidomeni Camps aufhalten. Als wir im Dezember und Januar hier waren (siehe damalige #naraontour-Berichte z.B. unter antiravernetzungsh.noblogs.org), war es so, dass sich die illegalisierten Menschen von diesen Orten aus auf den gefährlichen Weg durch Mazedonien gemacht haben. Seit die mazedonische Polizei in ihrem brutalen Vorgehen nun auch noch durch internationale Kräfte unterstützt wird, ist dieser Weg so gut wie unmöglich geworden. So ist es gekommen, dass die Menschen an diesen Orten nun zum großen Teil seit vielen Wochen ausharren. Unter ihnen sind viele Familien mit kleinen Kindern aus verschiedensten Herkunftsländern. Mittlerweile haben die meisten Gruppen eigene Kochstellen und wir versuchen die nötigen Nahrungsmittel und Utensilien zum Kochen bereitzustellen, um zumindest ein wenig eigenständiges Leben für die zutiefst prekarisierten Menschen zu ermöglichen. Neben Essens- und Kleiderversorgung bringen wir jeden Tag die politischen News und Informationen über die verschiedenen, oben genannten Programme mit und lassen diese vor Ort von den Menschen übersetzen, sodass diese involviert werden und wir ins Gespräch kommen. Es herrscht stets großes Interesse, aber es wird auch immer wieder deutlich, dass die EU-Programme keine Optionen sind. Jeden Tag fragen die Menschen uns gleichzeitig angsterfüllt und hoffnungsvoll, ob wir etwas gehört hätten, ob am nächsten Tag die Grenzen öffnen würden.

Individuelle Situationen
Mit einigen der Familien und Einzelpersonen haben wir Freundschaften aufgebaut und erfahren immer mehr über die einzelnen Schicksale. Die gesamt Familie einer Frau ist bereits in Deutschland und sie ist die einzige die nun zurückbleibt, da sie sich wenige Tage zu spät auf die Flucht begab und just die Grenzen schlossen. Einer Frau und ihren Kindern geht es genauso. Ihr Ehemann ist in Deutschland und erwartet sie dort. Eine Gruppe Marokkaner hat in Marokko einen Deutschkurs belegt. Sie sprechen perfekt und möchten in Deutschland studieren. Die Botschaft lehnte ihren Visumsantrag ab. Darum machten sie sich so auf den Weg und hängen nun hier fest. Insbesondere sie – sowie alle anderen Menschen die nicht aus Syrien oder dem Irak kommen – leben in ständiger realer Angst inhaftiert und über die Türkei in ihr Herkunftsland abgeschoben zu werden. Wir wissen von einigen Personen, denen dies bereits widerfahren ist.  Heute wurde wieder vollkommen willkürlich eine Gruppe von ca. 15 Menschen aus Pakistan inhaftiert.

WERDET AKTIV:

+ Organisiert Widerstand gegen den dreckigen Deal der EU mit der Türkei!
+ Prangert die Festung Europa als Ursache für die Vorgänge und Zustände an!
+ Organisiert Proteste gegen die menschenverachtende EU-Politik!
+ Reißt die Grenzen nieder, auch von Deutschland aus!
+ Lasst die Betroffenen nicht alleine!
+ Wir alle tragen die Verantwortung für die Situation hier und überall!
+ Für die globale Bewegungsfreiheit aller Menschen!

FOLGT UNSEREN BERICHTEN – und verbreitet diese – AUF:

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UPDATES ÜBER DIE GESAMTE FLUCHTROUTE:

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AUSSERDEM: AKTUELL UNTERSTÜTZUNG DRINGEND GESUCHT FÜR:

+ Macedonia Support Crew → contact: refugeesupportmacedonia@riseup.net
+ Belgrad Support Crew → contact: refugeesupportserbia@riseup.net

 

— ENGLISH —

Report 20.03  Eidomeni (First Crew)

#naraontour

Still in Eidomeni, it is hard to report, because hardly anything changes. The situation just becomes more and more hopeless. It doesn’t seem like borders will open again, soon. And alternative routes are guarded better and better. Police becomes even more repressive, supply of the people worse, and more people are ill. The atmosphere in the camp and the surrounding area is escalating often.

In short, fortress Europe has reached its highest level of repression!

EU-Turkey-Deal

This deal has created a totally new legislation on asylum, that does not know any form of case-by-case-review, from behind. Now, people arriving at the Greece islands from now on, will be send back to Turkey. For any person sent back, one registrated Syrian from Turkey will cbe allowed to enter the EU.

More Information [in German]:

http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/warum_der_deal_mit_der_tuerkei_eine_schande_fuer_europa_ist/

 Situation in Eidomeni and surroundings:

All refugees, having neither valid papers (specially “Kharti” for 30 days), nor applied for asylum in Greece, nor applied the Relocation-Programm or the the Familyreunification-Program, are in concrete danger of deportations.

Most of the “Kharti” of the people here seem to be out of date, as we see it after many talks with refugees. It is not possible to get an extension. Moreover, most of the people did not apply for any of such programs, because there is hardly any information on that for refugees and they have to make an interview via skype to apply and get a date with the office. But, the office obviously has not enough capacities, at all. Anyway, the Relocation-Programm is reserved for people from Syria, Iraq and a small group of other countries. We suggest a concrete danger of deportation for many refugees in this region. There is no doubt, that the cells in the police stations and prisons in this region are already overcrowded and  there are people arrested at random or because of “paper reasons”.

Practical Support

Every day, we support people who are holding out at different places outside of the official camp Eidomeni. When we were here last time (read the old #naraontour reports on antiravernetzungsh.noblogs.org)  illegalized people moved on to the dangerous route across Macedonia from this places. Since Macedonian police is supported by international forces in its brutal acting, this has become almost impossible. Now, people mostly, specially families and small groups from different countries and many with young children, have been holding out at this places since weeks.

Many of these families and groups have built their own fireplaces, which they use for cooking. We try to provide them with groceries and cooking stuff. This shall help to afford them a bit of a self-contained life.  But, we do not only bring them food and clothes every day, moreover, we try to provide them with the current political news and information on those programs, which are translated by people, locally. This means, that they become involved and we get into talking. There is always a great interest, but it becomes obvious at many time, that those EU-programs are no option. Every day people ask, hopefully and frightened at the same time, will the border be open again at the next day.

Individual situations

We made friends with some of the families and find out more and more about there stories. For example, one woman’s whole family has already arrived and she is the only left back., because she started her flight just a few days too late. Another woman and here children are in the same situation. Their husband awaits them in Germany. A group of Moroccan people, who have learned German at home and speak it perfectly, wants to study in Germany. But, the embassy rejected their applications. So, they went on their way to Germany and have to hold out here, now. It is specially them – and all those people neither coming from Syria nor Iraq – who live in a ongoing fear about being imprisoned and deported. We know about some people who already got deported.

Today, again a group of fifteen from Pakistan was arrested without any reason.

GET IN ACTION:

+Organize resistance against the dirty deal between the EU and Turkey!
+Denounce fortress Europe as the reason for this events and conditions!
+Organize protest against the inhuman EU-policy!
+tear down the borders!
+Support the affected people!
+We are all responsible for this situation here and everywhere!
+Freedom of Movement is everybodies right!

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