Abschiebung im winterlichen Morgengrauen; die zerplatzte Illusion eines informellen Winterabschiebestopps

Um 6 Uhr am Morgen des 26. 01. 2016 wurde versucht, eine serbische Familie nach Belgrad abzuschieben. Die fünf Mitglieder der Familie wurden am frühen Morgen unangekündigt von 15 Vollzugsbeamtinnen geweckt. Die Familie hatte, trotz der Tatsache, dass sie ins nunmehr bitterkalte Serbien abgeschoben werden sollten, lediglich 20 Minuten Zeit, das aller nötigste einzupacken.

Die Familie wurde nach Boostedt gefahren, am nächsten Morgen sollte es um 3Uhr mit dem Flugzeug nach Serbien gehen, wo sie keinerlei Perspektive geschweige denn eine Unterkunft gehabt hätten.Dank des engagierten Eingreifens von Unterstützerinnen gelang es jedoch, die Familie wieder aus Boostedt mitzunehmen und sie an einem anderen Ort unterzubringen, bis vier Tage später ein Kirchenasyl für die Familie gefunden werden konnte.

Neben der erschütternden Tatsache, dass die Abschiebung nicht angekündigt wurde , kommt hinzu, dass die Familie am 08. 03. 2016 noch einen Termin beim Verwaltungsgericht hat, wo sie erneut in ihrem Asylverfahren angehört werden soll.

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Die Familie gehört der Gruppe der Roma an, eine Gruppe, die zu den von Diskriminierung und Ausgrenzung aus allem gesellschaftlichen Leben am stärksten betroffen ist. Es existieren unzählige Berichte von Roma, die vor und auch nach ihrer zwangsweisen Rückkehr nach Serbien, Mazedonien, Bosnien am Rand der Gesellschaft leben, in Ghettos, Siedlungen, die regelmäßig durch staatliche Behörden geräumt werden. Einerseits ist eine offizielle Registrierung für Roma meist nicht möglich (was wiederum auch bedeutet: keine staatliche Unterstützung, keine Krankenversicherung, kein Zugang zum Bildungswesen, kein Zugang zum Arbeitsmarkt…), andererseits ist damit den Roma der Zugang zum „normalen Wohnungsmarkt“ versperrt, sodass das „Wohnen“ in ghettoartigen Siedlungen die einzige Möglichkeit darstellt überhaupt irgendwo zu sein. Des Weiteren sind die Siedlungen der Roma immer wieder Angriffen von Nationalisten ausgesetzt, ohne dass die Polizei oder andere Menschen eingreifen. Roma sind in diesen Ländern sowas wie vogelfrei. Verbrechen gegen sie werden nicht geahndet, sie selbst haben keine Möglichkeit, Anzeigen zu erstatten, denn gerade hier ist die Polizei nicht selten Täter. Das erschwert zum einen im Großen eine zahlenmäßige (auch für das Bundesamt) valide Erfassung der tatsächlichen Übergriffe auf die Gruppe der Roma und im Kleinen die Antragsstellung auf ein Asyl in Deutschland, weil die Betroffenen keine Aktenzeichen oder „offiziell nachprüfbare Beweise“ vorlegen können um ihre Verfolgung zu belegen.

Aus diesen und vielen weiteren Gründen liegt es eigentlich auf der der Hand, dass diese Länder keine sicheren Herkunftsstaaten sein können, werden Roma hier doch ganz offensichtlich verfolgt. All diesen Offensichtlichkeiten zum Trotz wurden diese Länder dazu erklärt, denn so Steinmeier: Albanien, Mazedonien und Kosovo suchten die Annäherung an die EU und könnten „schon deshalb nicht gleichzeitig als Verfolgerstaaten behandelt werden“. Doch nicht nur Steinmeier weiß dazu ne Menge Blödsinn zu reden, auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte laut Medienberichten bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag, Serbien habe selbst um die Aufnahme in die Reihe sicherer Herkunftsländer gebeten. Einem Land, das EU-Mitglied werden will, sei es zumutbar, seine Minderheiten ausreichend zu schützen, argumentierte de Maizière. Eine entsprechende Erklärung durch die serbische Regierung lässt sich nicht bestätigen. Auf Nachfrage heißt es in diplomatischen Kreisen, Serbien habe sich lediglich damit einverstanden erklärt, als sicheres Herkunftsland eingestuft zu werden. Dass eine Anfrage um eine Clubmitgliedschaft gleichbedeutend ist mit dem Fakt, dass ein Land für alle Menschen als sicher gilt, ist hanebüchen und erschreckend….was, wenn Länder wie der Irak oder Syrien anfragten…würde das dann auch reichen?! Dies kann als Argumentation nicht gelten, es kann nur anhand einer umfangreichen Analyse vor allem mit der Einbeziehung der Betroffenen ein umfassendes Bild bezüglich der Sicherheit eines Landes gemacht werden. Dies ist in Bezug auf die Balkanstaaten nicht geschehen, hier wurde die Situation der Minderheiten in den Ländern, vor allem der Roma, vollkommen ausgeblendet.

Viele Tausend Menschen aus diesen Ländern kommen jedes Jahr nach Deutschland und andere Länder und berichten von ihrem Elend und ihrer Not, die sie allein deshalb ertragen müssen, weil sie der Gruppe der Roma angehören. Wie kann es sein, dass all diesen Menschen nicht geglaubt wird? Wie kann es sein, dass die unzähligen Berichte, Recherchen, Urteile etc. nicht ausreichen, um diese Menschen als Verfolgte anzuerkennen?

Viele Tausend Roma und Sinti wurden hier in Deutschland im dritten Reich verfolgt und ermordet. 500.000 wurden in deutschen Konzentrationslagern vernichtet und ausgebeutet. So wie auch der Vater des Vaters ebenjener Familie, die am Dienstag abgeschoben werden sollte. Auch er war in Auschwitz weil er ein Roma war. Dass allein diese Tatsache kein Grund für eine Anerkennung bzw. Wiedergutmachung ist, ist ein weiteres Indiz für die anhaltende Ignoranz und politischer Angst davor, den Roma weltweit ihre Rechte zuzugestehen.

 Wir werden klagen, wir werden mit den Roma für ihre Rechte kämpfen.

Abschiebungen verhindern – ganz konkret. ALLE ROMA BLEIBEN HIER PUNKT

Weitere Infos auf: http://romarightskiel.blogsport.de/